12.09.17 Algenpest – Fortsetzung

In den Medien ist es etwas ruhiger geworden. Die Bewohner der westlichen Kanaren haben sich ein wenig an das Phänomen gewöhnt. Der Urlaub am Strand ist ja auch vorüber. Geht man halt nicht baden, wenn das Wasser suppig ist.

Nur die seefahrende Bevölkerung und der Tourismus bleiben in Habacht-Stellung. Was macht das mit den Fischen? Stört das die Delfine? Will das denn gar nicht weggehen? Wo kommen die Algen denn her? Was ist mit den Abwässern?

Es wird sich erst zeigen, wie lange wir noch in den Genuss des Meeressägemehls kommen. Je nachdem, wie der Wind steht, ist der Strand zumindest bei uns nicht zu geniessen.

Die Algen bilden einen dichten Teppich

Interessant ist die Debatte, die nun in der kanarischen Öffentlichkeit um die Klärung der Abwässer ausgetragen wird, die ja angeblich die Verantwortung tragen, für dieses schöne Spektakel. So ist nebenbei angeprangert worden (z.B. hier), dass auf Teneriffa und auch auf Gran Canaria nur ein geringer Prozentsatz der den Kläranlagen zugeleiteten Abwässer “fachgerecht” aufbereitet werden.

Klärung der Abwässer

Ich hab mal vor 20 Jahren mit einer ganzen Gruppe von fähigen Köpfen an der Umsetzung der europäischen Norm für Giftstoffe der Liste II der EU im Meerwasser mitgearbeitet. Der Leiter der Kläranlage von Valle Guerra auf Teneriffa arbeitete da mit. Das war ein aufrechter Kerl! Ständig stand er im Streit vor Gerichten mit den öffentlichen, halböffentlichen und privaten Einrichtungen der Abwasserreinigung, die ihren Job nicht richtig machten. Dreimal dürfen Sie raten, wer nachher seinen Job verloren hat ;-). Damals wurden etwa 30 % der Abwässer in der Haupstadt Santa Cruz geklärt, genau soviel, wie man danach an die Plantagen im Süden als Brauchwasser verkaufen konnte. Kennen Sie die Scheissepipeline neben der Autobahn? Ein touristisches Mahnmal der Spitzenklasse.

Strömungen treiben die Algen zusammen

Danach wurden dann Stück für Stück öffentliche Gelder, gerne mit Unterstützung der Europäischen Gemeinschaft, genutzt, um Kläranlagen zu bauen. Die mussten ja nicht funktionieren. In Puerto de la Cruz stand die Kläranlage 5 Jahre ohne Leitungen und Anschlüsse da, bevor sie endlich in Betrieb genommen wurde; nachdem die alte Abwasserleitung direkt unter dem Stadtstrand Playa Jardin nicht ausreichend weit ins Meer pumpte oder leck war und der Strand im Sommer gelegentlich gesperrt werden musste.

Allzu viel hat sich da in den letzten Jahren nicht geändert. Wenn ich an der Kläranlage in Buenavista im Norden Teneriffas vorbeikam, hat die nie gearbeitet. In der von Garachico passierte das Gleiche, auch wenn sie ordentlich rührte und man sehr schön die ablaufenden Abwässer erkennen konnte. Die Klärung entspricht also zumindest an einigen Stellen nicht den offiziellen Vorgaben und Angaben.

Auswirkungen auf die Umwelt

Noch ein paar Jahre länger ist es her, dass ich meine Diplomarbeit auf Teneriffa mit dem Tauchen in Abwassereinleitungen verbracht habe. Ja, ja, es gibt Leute für Alles. Da wollte auch nie jemand mit… Ich habe Nährstoffproben analysiert, die ich selber vor Ort genommen habe. Die konnte ich im Rahmen eines gleichzeitigen Praktikums am Ozeanographischen Institut unter der Fittiche eines sehr guten Technikers durchführen.

Dort habe ich mir die vorhandenen Nährstoffe auch in Abhängigkeit zur Entfernung vom Abwassereinlauf angesehen. Die Distanz, in der die für Algenwachstum wirksame Nährstoffmengen erreicht wurden, lagen etwa bei 100 m, in Strömungsrichtung bei 150 m. Weiter nicht. Allerdings galt das für offenes Wasser, nicht zu vergleichen mit geschlossenen Buchten, wie dem Hafen von Valle Gran Rey.

geplante Abwasserleitung der Kläranlage in Valle Gran Rey

Wenn sie einen Blick auf die Kapitel Meereströmungen und Wassertiefen werfen (hier), werden Sie sehen, dass grosse Wassermengen zur Verdünnung der unappetitlichen Happen zur Verfügung stehen. Die Selbstreinigungskraft des Meeres um die Kanaren ist bei der jetzigen Bevölkerungsdichte wahrscheinlich annähernd gross genug, dass städtische Abwässer, solange man an Fäkalien denkt, wahrscheinlich nur weit genug vor der Küste verklappt werden müssen, so 200 bis 500 m. So macht man das auch. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die ungeklärten Abwässer für eine Algenblüte zwischen den Inseln bei Tiefen von 2-3000 m verantwortlich sein können. Das ist genau die Aussage der kanarischen Regierung. Gehen Sie also weiter ohne Sorge, von Fäkalbakterien angesprungen zu werden, ins Wasser. Nur nicht im Sommer (bei maximaler Auslastung) in abgeschlossenen Bereichen (wie unserem Hafenbecken..). Was die Algen mit ihnen machen, die immer noch in grosser Zahl draussen herumschwimmen, steht auf einem anderen Blatt.

Bei der Gelegenheit möchte ich darauf hinweisen, dass die Pläne der vorhandenen Kläranlagen in den meisten Gemeinden öffentlich zugängig sind. (Zum Beispiel hier.) In der Darstellung der Anlage in unserem Tal ist ein Projekt für die geplante neue Abwassereinleitung mit abgebildet. In der Plannung existieren verschiedene Modelle, bisher endete die Leitung vor dem Tres Palmeras….

Wir warten auf Wind

In jedem Fall werden die Algen zu kleinen Klumpen zusammengeballt, sobald ein etwas kräftigerer Wind aufkommt und sinken ein paar Meter hinab. Wenn er dann auch ein paar kräftigere Wellen machen könnte, würden sie vielleicht soweit durcheinandergeworfen, dass es ihnen zu bunt wird und sie sich gehen lassen. Und wir wieder mit klarem Wasser schöne Fotos machen können. Wie von den jetzt wieder häufiger auftauchenden Pottwalen….