09.03.18 Verzauberte Limoverkäuferinnen und die Stimme Afrikas

Felsentaube (Columba livia)

Tauben galten in Deutschland als Ratten der Lüfte, wurden überall von Parkbänken aus von Omis gefüttert und haben mit ihren Fäkalien den Kölner Dom bedroht. Ansprechend fand ich die nie ….

Auf La Gomera und den meisten anderen Kanaren sind die von Felsentauben abstammenden Stadttauben, die ich von früher kannte, in den 90er Jahren beinahe samt und sonders von den Türkentauben verdrängt worden. Die deutlich kleineren, zu den Turteltauben der Gattung Streptopelia gehörenden und an ihrem Halsring leicht erkennbaren “neuen Ratten der Lüfte” (Streptopelia decaocto) sind heute überall.

Die „echte“ Turteltaube (Streptopelia turtur) ist nur in den Bergen gelegentlich zu sehen.

Die ständig verliebten Männchen sind entsprechend dauernd zu hören. Ihr Ruf entspricht in der Vorstellung der Eingeweihten dem griechischen “de-ka-ok-to”, also die Zahl 18. Für mich hört es sich immer ein bisschen wie dü-kü-ük-tüh, oder fast schon hüh-hüh-hüüüh-hüh an, wobei das lange hüüüh deutlich höher ist.

Die Legende sagt, dass es sich hier um eine verzauberte Limoverkäuferin handelt.

Türkentaube (Streptopelia decaocto)

Die war aber auch wirklich nicht die Hellste: Als Jesus sein Kreuz auf den Berg hinauftragen musste, wollte ein mitleidiger römischer Soldat ihm eine Limo spendieren. Die am Strassenrand stehende Verkäuferin beharrte allerdings auf dem von ihr gesetzten Preis von 18 Sesterzen, obwohl der Soldat nur 17 in der Tasche hatte. Als sie diesen Preis: decaocto! dann auch noch immer wiederholte, schrumpfte sie langsam und ein Schnabel wuchs aus ihrem Gesicht. Ständig schwallt es aus ihr heraus: dü-kü-ük-tüh, dü-kü-ük-tüh….

Solange sie nicht mit dem Preis runtergeht, bleibt sie Türkentaube.

Palmtaube (Spilopelia senegalensis)

In den letzten Jahren hat sie zu meiner Freude Konkurrenz bekommen. Die Palmtaube (Spilopelia senegalensis) ist so gegen 2009 von Afrika hier eingewandert. Ich nenne sie lieber nach dem englischen Namen “Lachtaube”, Laughing gull. Ihr Paarungsruf klingt in den frühen Morgenstunden durch mein Fenster und lässt mich gelegentlich schon grinsen, bevor ich die Augen öffne. Huh-huh-huh-huh-huuuh in einer abfallenden Tonfolge, ein neckisches, vielleicht auch abfälliges Lachen.

Der Name wurde mir in einer Oase in Mauretanien auch von unserem Guide bestätigt: Dort heisse sie ebenfalls Lachtaube, oder die “Stimme Afrikas”. Denn schliesslich sei Afrika nur lachend zu ertragen. Müssen wir uns wohl Gedanken machen, wenn die Kanaren nun Stück für Stück von der “Lachtaube” erobert werden?