Grundlagen zum Verständnis der Landfauna

Wer einen Einblick in die hiesige Tierwelt nehmen will, sollte sich zuerst mit einigen grundlegenden Charakteristiken vertraut machen, um nicht mit falschen Erwartungen loszuziehen:

Mittelmeerlaubfrosch in Aeonium sp.

Der Naturliebhaber findet unter den Vögeln, Reptilien und Insekten Arten, die sonst nirgends auf der Welt zu sehen sind. Subtropische oder tropische, in Europa seltene und eigene kanarische Arten lassen sich hier leicht beobachten.

Auch sind Wale und Delfine (auf Whale Watching-Exkursionen oder auch Fährüberfahrten), Fische (beim Tauchen) und die Wirbellosen des Meeres (bei einem Spaziergang an flachen Lavaküsten mit Tümpeln) sehr gut zugänglich.

Rennpieper (Anthus berthelotii)

Den Wissenschaftler beschäftigen eher die evolutiven Zusammenhänge, denn auf den Kanaren lässt sich die Artenentstehung, ähnlich wie auf den Galapagos-Inseln, sehr gut beobachten.

Es gibt einen sehr grossen Anteil nur hier heimischer Arten (fast 50 % aller Tierarten sind endemisch). Insgesamt wird die Zahl der Arten der landlebenden Tiere auf über 7500 (95% davon Arthropoden: Insekten und ähnliche) geschätzt, denen noch über 5000 Arten von Meerestieren hinzuzuzählen sind.

Grundlegende Charakteristika:

Es gibt ein paar Aspekte, die elementar sind, um die Zusammensetzung und scheinbar nicht komplette Fauna auf den Kanaren zu erläutern:

1) Das Fehlen einer Landbrücke, die den Einmarsch von grossen Pflanzenfressern und Räubern ermöglicht hätte, und die damit verbundene Isolation vom Festland, haben eine Unvollständigkeit der hiesigen Ökosysteme und eine geringe Zahl an Arten der Gruppen der Amphibien und Säugetiere zur Folge.

Dieses Männchen der Kanaren- Eidechse lebt auf Teneriffa

Nur die Tiere mit ausreichenden Fähigkeiten zur Fortbewegung oder der Resistenz, um zumindest den 100 km breiten Meeresarm zwischen dem afrikanischen Kontinent und Fuerteventura (schwimmend, fliegend, oder als blinde Passagiere auf Vögeln, treibenden Baumstämmen oder ähnlichem) zu überwinden, konnten hier Fuss fassen. Von denen konnten sich einige Formen zu einer besonderen Grösse entwickeln, wie die bis zu 1,5 m langen Rieseneidechsen.

2) In der durch die vielen Mikroklimate bestimmte Vielfalt der verschiedenen Biotope, konnte sich aus diesen wenigen Individuen von nur wenigen Arten eine Vielzahl einheimischer, teilweise lokal eng begrenzter Varietäten entwickeln, die sich teilweise noch sehr ähnlich sehen, wie bei den Tausendfüsslern und verschiedenen Schnecken.

Die Mittelmeersandschnecken sitzen bei Trockenheit oft an Pflanzenstengeln

3) Der Mensch ist der nachträgliche Brückenbilder, der, auch schon vor der Eroberung durch die Spanier, viele Tiere und Pflanzen eingeführt, aber auch andere dezimiert hat.

4) Die Meeresfauna der Kanaren wird hauptsächlich von Afrika und dem Mittelmeerraum beeinflusst. Dank ihrer Position zwischen den Tropen und den winterkalten Zonen mit hoher Produktion, liegen die Inseln auf der Route der Zugvögel und ziehenden Wale.

Die grossen Wassertiefen zwischen den Inseln erlauben stabile Populationen von tieftauchenden Walarten wie Pilotwalen und Pottwalen. Seid Ende des 20. Jahrhunderts sprechen einige Wissenschaftler im Zusammenhang mit einer Erwärmung von 1º C in 15 Jahren von einer Tropikalisierung der Meeresfauna.

Besiedelung der Inseln durch Fauna

In einem sehr unterhaltsamen Vortrag erläuterte der Zoologe Pedro Oromí die verschiedenen Weisen der Besiedelung der Inseln und die Ausbildung endemischer Arten, von denen wir hier auf La Gomera eine Menge haben. Zum besseren Verständnis sollte man sich nochmal in Erinnerung rufen, dass es nie eine Landverbindung zwischen dem afrikanischen Kontinent und den Inseln gegeben hat und die minimale Distanz bis Fuerteventura etwas über 100 km beträgt.

Ankunftswahrscheinlichkeit

Betrachtet man die Wahrscheinlichkeit, dass eine Art den Sprung schafft, sind nicht nur die Reisekapazität und die Distanz wichtig, sondern auch die Grösse und das Alter der jeweiligen Insel.

Besiedelungswahrscheinlichkeit

Je grösser eine Insel ist, desto vielfältiger können ihre ökölogischen Nischen sein und desto wahrscheinlicher ist es, dass eine Art, die ja nur für eine gewisse Bandbreite von Umweltfaktoren gemacht ist, sich dort festsetzen kann.

Methoden der Verbreitung:

1. Aktiv durch die Luft. Das können bei den Distanzen nur gute Flieger wie einige Vögel, Fledermäuse, Libellen und ein paar andere Grossinsekten. Es gibt Arten bei denen einige Individuen bleiben, während andere den Weg nach Europa oder Afrika suchen, wie zum Beispiel Wachteln. Andere Arten gehen nur bei besonderen Gelegenheiten auf die Reise, wie die Wanderheuschrecken (welche dann hier nicht die Lebensbedingungen vorfinden, um sich massiv zu vermehren). Manche Arten sind so gute Flieger, dass sie je nach Nahrungsangebot und Konkurrenz weiter wandern. Bei den Arten, die es nur sporadisch über die Meerenge schaffen, kann es zu einer Anpassung an die Gegebenheiten und Artenneubildung kommen.

2. Passiv durch die Luft. Das sind die etwas schlechteren Flieger wie kleinere Insekten, z.B. Marienkäfer. Die werden vom Wind hierher mitgerissen und so als Luftplankton bezeichnet. Auch passiv auf Vögeln oder Grossinsekten „reisende“ kleinere Vertreter (Flöhe, Milben) gehören hierzu. Manch einer wird unfreiwillig als unverdauliche Nahrung woanders wieder ausgespuckt, wie Käfer der Gattung Pimelia auf El Hierro.

3. Aktive Schwimmer. Bei den Landtieren haben wir keine Vertreter, die das geschafft und sich hier etabliert hätten.

4. Passive Schwimmer. Dazu gehören all die auf treibenden Baustämmen angereisten Reptilien. Die Vorläufer der Rieseneidechsen sollten den Sprung vor etwa 9-10 Millionen Jahren gewagt haben, während den kleineren Arten eine „Inselentwicklung von 5-6 Millionen Jahren zugesprochen wird. Man muss sich vor Augen führen, dass die Sahara noch vor relativ kurzer Zeit, etwa 3500 Jahren, keine Wüste war. Noch vor Tausend Jahren brachte der Fluss Draa in Regenzeiten grosse Mengen Treibgut aus dem südlichen Marrokko ins Meer. Auch die Spitzmaus, die Lavamaus (vor ca. 6 Millionen Jahren angekommen und vor 600 Jahren ausgestorben) und die Riesenratten (vor 5 Millionen Jahren angekommen und vor 1500 Jahren ausgestorben) werden diesen Weg „gewählt“ haben.

Auch die Riesenwellen bei Erdrutschen, die wahrscheinlich nach mehreren Anläufen ordentlich Vegetation ins Wasser gezogen haben, dürften für Verbreitungschübe verantwortlich sein.

Systematik

Hausratte La Palma (Foto: Andreas Wallner)

Damit die einzelnen Tiergruppen im Verbund mit ihrer tatsächlichen Verwandtschaft erkennbar werden, wird Ihnen hier anhand von zwei Beispielen die wissenschaftliche Gliederung gezeigt, die zur Zeit in Wikipedia angeboten wird. Was Ihnen auf den ersten Blick kompliziert erscheinen mag, wird später zu einem leichteren Verständnis führen.

Als Beispiele führen wir hier die Hausratte und den Kanarischer Zitronenfalter an, für die wir jeweils die Einteilung beifügen.

Der Stamm ist hier die gröbste Einteilung in leicht zu unterscheidende Gruppen, wie zum Beispiel in Wirbeltiere (mit Säugetieren, Vögeln, …) oder Gliederfüsser (Insekten, Spinnen, Krebse, … ).

Kanaren-Zitronenfalter – Limonera (Gonepteryx cleobule)

Klassen sind schon etwas spezieller mit z. B. Säugetieren oder Insekten.

Ordnungen enthalten zum grossen Teil bekannte Gruppen, wie zum Beispiel die Nagetiere oder Schmetterlinge.

Familien wie Langschwanzmäuse oder Weisslinge sind als Gruppe oft nicht bekannt, auch wenn sie wieder „bekannte“ Gattungen enthalten.

Gattung Ratten oder Zitronenfalter.

Art Hausratte Rattus rattus oder Kanarischer Zitronenfalter Gonepteryx cleobule.

Die kleinste Unterscheidungseinheit ist die Art. Hier soll zwischen zwei äusserlich meist ähnlichen Tieren unterschieden werden, die keine fruchtbaren Nachkommen mehr miteinander hervorbringen können.

Systematik in recht grober Einteilung

Um die beiden nochmal gegenüberzustellen, blende ich sie in Form einer Tabelle nochmal nebeneinander ein.

Wenn man darauf achtet, haben die einzelnen Organisationsstufen oberhalb der Gattungen immer die gleichen oder ähnliche Endungen.

Systematik in recht feiner Einteilung

Für einen Spezialisten oder Systematiker ist diese Gliederung immer noch ein kleiner Frevel, unterschlägt sie doch viele in letzter Zeit dazugekommene Erkenntnisse. Wollte man sich tiefer mit der Systematik beschäftigen, wäre diese Gliederung wohl eher zielführend. Für den Laien ist sie natürlich komplett unübersichtlich.

Unübersichtlich wird es allerdings auch bei der Unterscheidung der auf einer Insel vorhandenen Tiere im Vergleich zu anderen Inseln.

Blaumeise (Parus caeruleus)

Wenn durch eine geografische Isolierung nach einer bestimmten Zeit schon Unterschiede zwischen einzelnen Tierpopulationen auftreten, man aber nicht sagen kann, ob die verschiedenen Formen noch Nachkommen zeugen können, spricht man von einer Unterart. Auf den Kanaren ist dieses Phänomen sehr häufig zu beobachten. So spricht man zum Beispiel bei den Blaumeisen von 4 Unterarten. Auf der Insel Teneriffa, Gran Canaria und La Gomera ist die Unterart P.c. teneriffae, für Lanzarote und Fuerteventura die P.c. degener und für La Palma una El Hierro P.c. palmensis beschrieben worden.

Ist die Isolierung, wie bei weniger flugkräftigen Tieren kompletter, spricht man eventuell auch schon von eigenen Arten. So wird der Zitronenfalter La Gomeras schon mit eigenem Artnamen bedacht: Gonepteryx eversi.