Nesseltiere

Die Nessel- oder Hohltiere sind eine Gruppe relativ primitiver Lebewesen, unter Ihnen Anemonen, Korallen und Quallen. Allen gemeinsam sind ein zentraler Magen (Hohlraum) und „nesselnde“ Tentakel, daher der Name.

Leuchtqualle

Sie sind ein wenig ‚fortschrittlicher‘ als die Schwämme, kann man bei ihnen doch schon echte Gewebe beschreiben und einen Mund und einen ‚Magen‘ erkennen. Ihr Körper ist meist sackartig, wobei der Hohlraum dem Magen-Darm entspricht, der sich in einen Mund öffnet. Der Mund wird von einem Tentakelkranz gesäumt. Die Tentakel ergreifen die Beute und führen sie zum Mund. Man findet auf den Kanaren hauptsächlich 3 Gruppen. Die Blumentiere (Anthozoa), die Schirmquallen (Scyphozoa) und die Hydrozoen. Alle sind im Besitz sogenannter Nesselzellen, das sind winzig kleine, mit einem giftigen “Pfeil” ausgerüstete Zellen. Dieser kann bei Reizung der Zelle abgeschossen werden und sein Gift in ein Beutetier oder einen Angreifer injizieren. Den Vorgang der Hautreizung nennt man „nesseln“.

Hydrozoa:

Eine Gasblase hält Portugiesische Galeeren an der Oberfläche

Hydrozoen sind eine Klasse der Nesseltiere, die in zwei Stadien auftritt: Es gibt eine auf dem Boden sitzende Phase, den Polypen, und eine schwimmende Phase, die Meduse. Allerdings tritt bei den meisten der hier häufigeren Arten nur eine dieser Phasen in Erscheinung.

Portugiesische Galeeren (Physalia physalis) bilden Kolonien, lange Ketten aus kleinen Polypen, die mit einem gemeinsamen Darm verbunden sind. Eine der Untereinheiten bildet sich zu einer Gasblase um, die wir immer an der Oberfläche sehen können. Auf dem Foto rechts sieht man die verschiedenartig geformten Tentakel ins Wasser hinunterhängen. Bei ruhigem Wasser und ohne Störung können sie sich auf 20 m Länge ausdehnen, um möglichst viele kleine und grosse Organismen zu fangen. Die Beute wird eingerollt und „vor Ort verdaut“. Eine Berührung mit den Tentakeln kann sehr unangenehm sein. In Jahren mit hoher Produktion und ungünstigen Strömungen können ganze Strandabschnitte „verseucht“ werden.

Segelqualle (Velella velella)

Eine weitere Staatsqualle ist die Segelqualle (Velella velella), auch wenn sie vergleichsweise klein ist und nur etwa 4 cm im Durchmesser erreicht. Ihr Körper besteht aus einer flachen Scheibe, von dem ausgehend die Polypen in Ketten nach unten hängen. Auf der Oberseite der Scheibe steht ein langgezogenes, steifes „Segel“, das es der Segelqualle ermöglicht, gegen die Strömung in gewisser Weise zu manövrieren.

Federpolyp

Der Federpolyp (Aglaophenia pluma) wächst auf Steinen von der Küste bis in Tiefen von 20 m. Meist bildet er Kolonien mit vielen, über Stolone in Verbindung stehenden „Zweigen“ aus. Seine Tentakel filtern ebenfalls kleine Beutetiere aus dem Wasser. Bei einer Berührung mit zarten Hautpartien kann eine Hautreizung auftreten. Die Federpolypen werden nur wenige Zentimeter hoch.

Seebrennnessel (Pennaria distycha)

Die Kolonie der Seebrennnessel (Pennaria disticha) wächst in verzweigten Ästen von im Foto gut erkennbaren, am Fels verankerten Stolonen aus, bis zu 15 cm ins Wasser hoch. Die Stolone sind schwärzlich, während die nur wenige mm grossen Polypen weiss leuchten. Oft sind die Tentakel kaum auszumachen, aber das Nesseln bei einer Berührung kann sich manchmal sofort bemerkbar machen.

Scyphozoa oder Schirmquallen

Die Schirmquallen sind die Hauptverantwortlichen für das negative Image der Hohltiere. Sie schwimmen unerkannt – und oft wegen ihrer geringen Körpergrösse und langen Tentakel praktisch unsichtbar – knapp unter der Wasseroberfläche und nesseln Badende. Da fährt man nun so weit weg, um sich ein paar Tage am Strand zu gönnen und dann versaut einem so ein Viech den Urlaub und vielleicht lässt es sogar ein paar Narben zurück.

Schirmquallen sind Einzelorganismen mit einem gallertartigen Schirm. Sie bewegen sich, indem sie Wasser aus ihrem Mundraum durch eine verengende, ringförmige Struktur pressen, mit dem Rückstossprinzip fort.

Löwenmähne

Die grosse Löwenmähne (Cyanea capillata) ist mit der Nesselqualle aus den deutschen Gewässern verwandt und wirkt ähnlich „interessant“ bei einer Berührung. Der Schirm kann bis zu 2 m Durchmesser erreichen und stellt die allgemeine Idee, dass „Plankton“ (Bedeutung: Das Dahintreibende – Organismen, die sich nicht gegen die Strömung durchsetzen können) eine Bezeichnung für Kleinstlebewesen ist, zur Diskussion.

Die ganz oben abgebildete Leuchtqualle (Pelagia noctiluca) leuchtet wirklich, wenn man nachts auf im Sand gestrandete Tiere drückt. Sie kann ebenfalls zu heftigen Reaktionen führen, wenn man mit ihren Tentakeln in Berührung kommt.

Neben diesen beiden Arten habe ich hier noch die Kompassqualle und eine Wurzelmundqualle beobachtet.

Anthozoa oder Blumentiere

gebänderte Zylinderrose (Isarachnanthus cruzi)

Bei den Blumentieren existiert nur die Phase des Polypen. Entsprechend sitzen die für uns sichtbaren Tiere einzeln oder in Kolonien am Untergrund mehr oder weniger fest, nur die Geschlechtszellen und Larven sind freischwimmend, einige (Korallen) bilden ein Kalkskelett. Auf den ersten Blick erscheinen diese Tiere eher wie eine Pflanze, zumal sie sich nur sehr langsam bewegen. Viele von ihnen können in ihr Gewebe einzellige Algen einbetten und mit diesen in Symbiose leben. Die Algen bieten Photosyntheseprodukte und die Anemonen Schutz sowie ein Nährmedium aus Kohlendioxid und Mineralien. So können sie auch ohne sichtbares Futter von aussen auskommen.

Wachsrose (Anemonia viridis)

Das häufigste und auffälligste Blumentier ist die Wachsrose (Anemonia sulcata), deren Tentakelspitzen oft rosa gefärbt sind. Im Bild ist nur die Tentakelkrone zu sehen, der zylindrische Körper verschwindet hinter den Steinen. Sie ernährt sich von allem, was unvorsichtigerweise zwischen die Tentakel schwimmt und nicht schnell genug wegkommt. Bei einigen Exemplaren, vor allem in sehr lichtreicher Umgebung wie in Gezeitentümpeln, sind sie durch Einlagerung vieler Algen deutlich grünlicher gefärbt. Eine Berührung führt an sensiblen Stellen zu Hautrötung, leichtem Brennen und eventuell Narbenbildung.

Schmarotzerrose

Einen ganz besonderen Trick hat sich die Schmarotzerrose (Calliactis parasitica) ausgedacht. Sie setzt sich gerne auf den Schalen von Schnecken fest, die vom einem grossen Einsiedlerkrebs durch die Gegend geschleift werden. So kommt sie immer mal wieder in den Genuss der Essenreste des gefrässigen Krebses, der sie obendrein auch noch immer durch die Gegend trägt. Wenn er sich ruhig verhält, schiebt die Anemone die im Bild eingzogenen Tentakel heraus und fängt sich herumtreibende organische Häppchen. Als Gegenleistung gewährt sie dem Krebs aber auch zusätzlichen Schutz.

Zylinderrose (Pachycerianthus dohrni)

Die Zylinderrose (Pachycerianthus dohrni) findet man auf Lockerböden, wo sie aus dem Bodenmaterial und Schleim eine Wohnröhre formt. Sie kann ihre Tentakelkrone, die aus mehreren Reihen von nesselnden Tentakeln besteht, darin verbergen.

Nahe verwandt ist die erst 1986 als eigene Art beschriebene Gebänderte Zylinderrose (Isarachnanthus cruzi), die oben zu Beginn der Blumentiere abgebildet ist.

Keulenanemone und Putzergarnele

Die grosse und farbenprächtige Keulenanemone (Telmatactis sp.) lebt meist in lichtarmen Bereichen, ist also auf Beute angewiesen. Ihre Tentakel bieten bestimmten Organismen, die klein und beweglich genug sind, um es nicht in einem unbedachten Moment zu einer Berührung kommen zu lassen, ein Versteck, da sich viele Feinde von den auffälligen Farben abschrecken lassen.

Juwelenanemone (Corynactis viridis)

Auf den ersten Blick leicht zu übersehen sind die winzigen Köpfchen der Juwelenanmone (Corynactis viridis). Sie werden gerade mal einen Zentimeter gross und präsentieren sich gerne in sehr strömungsreichem Umfeld knapp unter der Brandungszone. Sie gehört zu den falschen Korallen, sie lagert keinen Kalk in ihr Gewebe ein. In dichten Kolonien bilden sie einen regelrechten Teppich auf dem Fels.

Krustenanemone (Palythoa canariensis)

Ähnlich gemeinschaftlich orientiert ist die Kanarische Krustenanemone (Palythoa canariensis), deren Kolonien teilweise riesige Felder überdecken. Möglicherweise ist sie einer der Nutzniesser der Erwärmung der hiesigen Gewässer, da man sie in immer grösseren Kolonien beobachten kann. Im Bild überwuchert sie gerade eine rauhe Steckmuschel, an anderen Stellen hatte sie sogar die Diademseeigel regelrecht eingekreist.

Dörnchenkoralle (Anthipathes wollastoni)

Die Schwarze Koralle oder Dörnchenkoralle (Antipathes wollastoni) gedeiht erst in Tiefen, wo selbst die Taucher normalerweise nicht hinkommen. Erst bei 30 m Tiefe scheint sie sich wohl zu fühlen und dichteren Bewuchs bildet sie erst ab 60 m. Die schwarzen Skelette wurden von den alten Griechen als Amulette gegen Krankheiten genutzt. Die Koralle selber erscheint eher bräunlich. Die Polypen sind winzig und ohne Lupe kaum erkennbar.

Gelbe Hornkoralle (Leptogorgia viminalis)

Ebenfalls in grösseren Tiefen leben die Hornkorallen. Ein farbiges Gewebe überzieht ein flexibles, glattes, hornartiges Skelett, welches sich fächerförmig der Strömung entgegenstellt. Die Gelbe Hornkoralle (Leptogorgia viminalis) wird etwa 60 cm hoch, die Polypen erreichen gerade mal einen Zentimeter.

Grüne Riffkoralle (Madracis asperula)

Die einzige Steinkoralle, von der ich ein vernünftiges Foto habe, ist die Grüne Riffkoralle (Madracis asperula). Schon in recht geringen Tiefen von wenigen Metern wachsen die weisslichen Äste bis zu 30 cm hoch und präsentieren die nur einen halben cm grossen grünlichen Polypen. Wie so viele Korallen lagert auch diese Art symbiotisch lebende Algen in das Gewebe der Tentakel ein, die dort Photosynthese betreiben.

Rippenquallen

Rippenqualle (Leucothea multicornis)

Verwechslungsmöglichkeiten der Nesseltiere bestehen mit den verschiedenen Rippenquallen, die zum Stamm der Ctenophoren gehören. Deren Tentakel besitzen allerdings nur Klebezellen zum Einfangen der Beute, nesseln also nicht. Um sich fortzubewegen, nutzen die Rippenquallen hauptsächlich in 8 Reihen (Rippen) angelegte beweglichen Kämme, die synchronisiert abgeklappt werden können. Da man sie bei dem ansonsten grösstenteils durchsichtigen Körper kaum sieht, fällt das von den Kämmen gebrochene, in allen Regenbogenfarben schillernde Licht besonders auf.

Rippenquallen

In besonders produktiven Phasen gibt es Massenentwicklungen von Rippenquallen. Da sie nicht nesseln und es sehr viele verschiedene Formen gibt, ist es ein ganz besonderer Genuss, diese Vielfalt ungestört beobachten zu können.

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